Modernes Personalmanagement – ein Veränderungsprojekt
Der österreichische Komponist Anton Bruckner (1824–1896) soll einmal gesagt haben: „Wer hohe Türme bauen will, muss lange beim Fundament verweilen.“ Das gilt auch, wenn man das Personalmanagement in Firmen neu ausrichten will. Wir brauchen eine gute Basis, um einerseits langfristig Erfolg zu haben und andererseits agil genug zu bleiben, damit wir auch auf kurzfristige Entwicklungen reagieren können. Und: Am Ende kommt es nicht auf den Willen, sondern auf die Ergebnisse an. Strategie, Organisation, Führung, Personalentwicklung und Personalsteuerung – diese fünf Handlungsfelder eines modernen Personalmanagements sollten durch Geschäftsführung, Führungskräfte und Personalleiter gemeinsam angepackt werden.
Die Vision Ihres Unternehmens
Stellen wir uns folgende Vision vor: Der Personalbereich ist ein starker Beeinflusser der Geschäftsstrategie. Er führt sogar die Geschäftsplanung und holt dazu jährlich die Unternehmensspitze und alle wichtigen Führungskräfte im Rahmen eines fest definierten Prozesses ins Boot. Die HR-Administration ist schlank und technologiestark. Die Personalmanager denken visionär und richten ihr Augenmerk nicht nur auf die klassischen Personalthemen wie Personalbetreuung, Personalabrechnung und Personalentwicklung, sondern auch auf die Führungsqualität, die Effektivität der Organisationsstrukturen und -prozesse, auf die Ausprägung einer Leistungskultur, die Schaffung von Hochleistungsteams, die Einführung eines Talentmanagements sowie auf die Implementierung der Unternehmensstrategie. Sie sind zugleich Dienstleister und Berater der Führungskräfte und sowohl strategisch als auch operativ tätig. Ihr Rollenverständnis hat sich vom Verwalter zum Gestalter entwickelt. Die Personalbereiche verfügen über genaue Kenntnisse des Geschäftsmodells, konzeptionell-analytische Kompetenzen, die Fähigkeit zum Umgang mit Kennzahlen, persönliche Erfahrungen aus dem Linien-Management, Akzeptanz beim Top-Management und eine hohe emotionale Intelligenz. Das Unternehmen versteht Change Management als eigenständige Aufgabe und notwendigen Ergebnisbeschleuniger, eingefordert vom Personalbereich. Um diese Vision Realität werden zu lassen, braucht es einen systematischen (und systemischen) Change-Prozess im Personalbereich selbst. HR wird so zum Entwicklungslabor und zur Veränderungswerkstatt. Dies kostet Zeit, Kapazität und Produktivität, solange der Prozess läuft. Dessen sollten sich alle Beteiligten bewusst sein. Erfolgreiches Change Management ist zugleich Philosophie und Verfahren. Was heißt das genau? Der Fachverband „Change Management“ im Bundesverband Deutscher Unternehmensberater hat dies so definiert:
„Immer dann, wenn Unternehmen, Betriebe, Abteilungen, Gruppen und Arbeitsteams Wandel bewusst vornehmen und dieser Wandel reflektiert und gesteuert wird, so sprechen wir von Changemanagement. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter […] sind hierbei aktiv durch ‚lebenslanges Lernen‘ eingebunden. Der Prozess des Wandels wird sichtbar über veränderte Fähigkeiten, Verhaltensweisen, Rituale und Werte. Für uns ist Changemanagement eine vernetzte, ganzheitliche Unternehmensaufgabe, die von der Symptombehandlung zur Ursachenauflösung führt. Wandel hat hierbei immer eine Eigendynamik und kann einen völlig anderen Verlauf nehmen, als ursprünglich vorgesehen.“
Um dies leisten zu können, ist zunächst eine Haltung notwendig, die auf dem systemischen Gedankengut beruht. Statt traditionell von Rationalität, linearem Fortschritt und Fremdsteuerung auszugehen, sollten Change Manager auf Rationalität und Emotionalität, iterative Entwicklung und Selbststeuerung setzen. Hilfreiche Eigenschaften hierfür sind Mut, Offenheit, Lernbereitschaft, die Fähigkeit zu vertrauen, ein positives Menschenbild, die Orientierung an Stärken und Ressourcen sowie die „heitere Besessenheit“, von der Klaus Doppler, langjähriger Change-Vordenker, immer gesprochen hat. In Anlehnung an Dave Ulrich kommt hinzu, dass Personalmanager vom externen Kunden her denken sollten. Eine solche „Kundenorientierung“ brauchen wir nicht nur im Alltagsgeschäft, sondern ganz besonders auch im Veränderungsprozess des Personalbereichs selbst. Konsequent bedeutet dies sogar, dass wir als Personalmanager unsere externen und internen Kunden regelmäßig zu der Qualität unserer Personalarbeit befragen und in den HR-Change-Prozess einbeziehen.
Den Wandel managen
Ein Change Manager muss zwischen Wandlungsbedarf, Wandlungsbereitschaft und Wandlungsfähigkeit unterscheiden und zugleich überlegen, welche Fragen sich die betroffenen Führungskräfte und Mitarbeiter stellen werden, die es zu beantworten gilt: Warum tun wir das? Wie wird es künftig sein? Was habe ich davon? Wie kommen wir dahin? Wie kann ich den Prozess unterstützen? Was soll ich als nächstes tun? Jede Veränderung findet immer im Spannungsfeld zwischen Tradition und Wandel statt. Daher muss die Zukunftsvision nicht nur attraktiv genug sein, sondern zugleich auch das Vergangene und Gegenwärtige wertschätzen. Wie ein Change-Prozess organisiert werden sollte, hat John P. Kotter in programmatischer Weise aufgezeigt. An seinen acht Schritten können wir uns auch für die Veränderung des Personalmanagements gut orientieren:
- Ein Gefühl für die Dringlichkeit des Wandels erzeugen.
- Eine Führungskoalition aufbauen.
- Vision und Strategie entwickeln.
- Die Vision des Wandels kommunizieren.
- Mitarbeiter auf breiter Basis befähigen.
- Schnelle Erfolge erzielen.
- Erfolge konsolidieren.
- Neue Ansätze in der Kultur verankern
In der Praxis scheitert es oft schon zu Beginn am Einschwören auf den Wandel und an einer klaren Verpflichtung des Top-Managements. Nach dem Start des Projekts dauert es zudem meistens viel zu lange, bis erste Erfolge sichtbar und als „Mutmacher“ mit Signalwirkung berichtet werden. Auf Stufe 5 kommt es zuvor darauf an, die Mitarbeiter auf breiter Basis einzubeziehen. Die Führungskräfte müssen hier alte Strukturen und Systeme verändern, Hindernisse beseitigen und zur Risikobereitschaft und zum Ausprobieren der neuen Verhaltensweisen ermutigen. Kotter sieht in Organisationen zwei Systeme am Werk, die sich gegenseitig stärken können: Formelle Hierarchien und informelle Netzwerke. Gerade die firmeneigenen Netzwerke entscheiden über den Erfolg von Veränderungsprojekten, weil dort funktionale Grenzen überschritten werden und Information, Kommunikation und Feedback im Mittelpunkt stehen.
Dem Netzwerkgedanken folgt auch die Idee, in einem Veränderungsprojekt so genannte „Change Agents“ auszubilden und einzusetzen. Dies sind Multiplikatoren, die dem Ziel – z. B. den Personalbereich umzugestalten – positiv gegenüberstehen und im Alltag mithelfen, das Projekt voranzutreiben. Ich persönlich finde den Begriff „Change Angels“ inzwischen sogar noch passender. Er klingt mehr nach einem wohlwollenden Prozessbegleiter und weniger nach Geheimagent. Die „Change Angels“ werden in der Regel aus dem Kreis der Befürworter des Projekts gewählt, den wir erfahrungsgemäß zu Beginn des Veränderungsprozesses auf ca. 20 Prozent der betroffenen Mitarbeiter taxieren. 20 Prozent der Menschen sind üblicherweise starke Skeptiker, die ihren Widerstand offen artikulieren und schwer zu überzeugen sind. Hier geht es darum, den möglichen Schaden zu begrenzen. 60 Prozent der relevanten Beschäftigten sind zu Beginn des Projekts meistens unentschlossen und wollen überzeugt werden. Genau um diese 60 Prozent sollte sich die Hauptarbeit drehen. Diese gilt es, ins Boot zu holen.
Alle mit ins Boot holen
„Betroffene zu Beteiligten machen“ – so lautet ein Kernsatz aus dem Change Management. Dahinter steckt die Annahme, dass Mitarbeiter, die gefragt werden und ihre Ideen einbringen können, eher motiviert zu Veränderungen sind. Im Übrigen sorgt eine autoritäre Führungskraft, die alles allein entscheidet und Mitarbeiter nicht anhört und einbezieht, für Gewinneinbußen von bis zu 30 Prozent – wie jüngst ein Experiment an der Universität Zürich zeigte. Mein Kollege, der Change-Experte Hans-Werner Bormann, unterscheidet zwischen drei Kernaufgaben der Beteiligung: Erstens geht es darum, dass eine Führungskraft Kontakt aufnimmt und sich auf die Mitarbeiter einlässt, sie ernst nimmt und so Vertrauen aufbaut. Zweitens sollte sie Reflexionsmöglichkeiten schaffen. Dies geschieht, indem zu bestimmten Zeitpunkten immer wieder Inhalte, Wege, Methoden, Beziehungen und darum, die Intelligenz der Organisation zu aktivieren und so ausreichend viele Problemlösungen zu finden, gezieltes Lernen zu ermöglichen und neue Formen des Wissenstransfers zu etablieren.
Gerade auch für Personalmanagement- Projekte sollte maßgebend sein, dass viel Raum für Eigenverantwortung und Selbstorganisation der betroffenen Führungskräfte und Mitarbeiter geschaffen wird. Für die Praxis bedeutet dies, dass Führungskräfte und Personalleiter, die Veränderungsprojekte steuern, sich auf Techniken wie Spiegeln, Paraphrasieren, Visualisieren, Reframing, Fragen, aktives Zuhören und Feedback stützen sollten. Nicht zuletzt kommt es darauf an, mehr Lösungs- als Problemsprache zu verwenden: Was müssen wir tun, damit es klappt? Was müssen wir ändern, damit es besser wird? Was fehlt Ihnen noch, damit Sie mitmachen?
Das beste inhaltliche Konzept bringt nichts, wenn es nicht gelingt, dieses mit Hilfe der betroffenen Menschen einzuführen und auch in den Köpfen Veränderung zu erreichen. Neben der inhaltlichen Ausarbeitung eines neuen Personalmanagement-Konzepts ist daher die Prozess-Ebene von zentraler Bedeutung für den Erfolg. Die Personalverantwortlichen und die Führungskräfte dürfen nicht nur schöne Powerpoint-Präsentationen bieten, sondern sie müssen wirklich Kopf, Herz und Bauch der Menschen in Ihrem Unternehmen erreichen und sie dürfen nicht zu früh in ihren Anstrengungen für ein modernes Personalmanagement nachlassen.
Die sieben Aktionsfelder des Change Managements
Zusammenfassend kommt es beim Change Management auf die folgenden sieben Aktionsfelder an, die wie Puzzle-Stücke ineinander greifen: Das Thema Führung ist sehr relevant, da die Führungskräfte als Change Manager – besser noch: als Change Leader – agieren. Sie sind Vorbild, Treiber und Unterstützer und dürfen vor allem eines nicht: sich wegducken, wenn es schwierig wird. Ohne Vision, Ziele und eine Story, die verständlich, lebendig und motivierend ist, kann ein Veränderungsprozess nicht gelingen. Solche Leitplanken sorgen für die notwendige Veränderungsenergie und den Blick nach vorn. Empfehlenswert ist dabei, dass die Führungskräfte, Mitarbeiter und „Change Angels“ an der Story mitschreiben können.
Quelle: Rosenberger & Partner
Zudem gilt zu beachten, dass die Chefs oft von anderen Aspekten motiviert werden als die Mitarbeiter. Die Beteiligung von Betroffenen und der Dialog mit den Menschen, die die Veränderung tragen sollen, ist so zu organisieren, dass genug Raum für Austausch und Reflexion bleibt. Hören Sie genau hin und versuchen Sie, erst zu verstehen, bevor Sie bewerten. Denn womöglich gibt es begründete Einwände oder hilfreiche Tipps, die noch in das Projekt zu integrieren sind. Hinter jedem Widerstand in Wort und Tat stecken Gefühle (z. B. Angst, Ärger, Traurigkeit) und Bedürfnisse (z. B. Sicherheit, Zugehörigkeit, Anerkennung. Somit lohnt sich der Blick hinter die individuellen Kulissen, und der beginnt mit
Aufmerksamkeit, Interesse und Offenheit.
Um ein Veränderungsprojekt, ob im Personalmanagement oder anderswo, erfolgreich zu gestalten, bedarf es fundierter Kenntnisse im Projektmanagement. Folgende Fragen sind zu klären: Wer ist Projektsponsor, wer Projektleiter? Wie genau lauten der Projektauftrag und das Projektziel? Woran messen wir den Projekterfolg? Wie organisieren wir das Projektcontrolling? Wie sieht der Projektplan mit den Arbeitspaketen und Meilensteinen aus? Wer macht was bis wann?
Abschied und Neubeginn
Ein häufig unterschätzter Punkt ist der Umgang mit Emotionen. Es ist ein weit verbreiteter Irrtum, dass Gefühle keine Rolle spielen sollten und man im beruflichen Umfeld stets sachlich bleiben müsse. Zum einen geht dies nicht, denn wir brauchen auch einmal emotionale Entlastung, indem wir über unsere Gefühle sprechen, z. B. im Rahmen eines Feedbacks. Zum anderen laufen emotionale Prozesse immer parallel mit rationalem Denken ab. Unser Gehirn kann gar nicht anders. Ein offenes Ansprechen des eigenen Gefühls schafft Nähe und besseres Verständnis in der Kommunikation. Außerdem sind Gefühle wichtige Indikatoren für das, was uns wichtig ist. In Veränderungsprojekten wollen Mitarbeiter, dass ihre Ängste und Sorgen ernst genommen werden. Als Führungskraft das Signal zu senden, dass Sie dies tun, hilft schon weiter. Ein „Tal der Tränen“ gehört dazu, wenn man Abschied von früheren Gewohnheiten nimmt. Es kommt darauf an, Gefühle anzusprechen und nicht wegzudiskutieren. Übrigens hat auch eine Führungskraft Gefühle, sie zeigt sie nur seltener als Mitarbeiter.
Ein Veränderungsprojekt bietet Lern- und Entwicklungschancen sowohl für Mitarbeiter als auch für Führungskräfte, und zwar in vielfacher Hinsicht: Zunächst sind Schulungen nötig, um die neuen Strukturen, Prozesse oder Systeme, die eingeführt werden sollen, überhaupt anwenden zu können (Beispiel: eine Schulung für ein neues IT-System im Personalbereich). Außerdem lernen wir, indem wir uns mit anderen über das Projekt austauschen und darüber reflektieren. Das geschieht oftmals informell und ohne dass es uns bewusst wird (Beispiel: eine Projektsitzung zur Überprüfung von Meilensteinen). Schließlich erwirbt im Idealfall ein Unternehmen oder ein Mitarbeiter neue Fähigkeiten im Laufe eines Projekts (Beispiel: Entwicklung und Einführung eines neuen Kompetenzmodells durch den HR Business Partner).
Selten erwähnt, aber von hoher Relevanz ist unserer Ansicht nach das richtige Timing von Veränderungsprojekten. Mir fällt auf, dass Firmen und insbesondere deren leistungsstarke Fach- und Führungskräfte häufiger als früher an Kapazitätsgrenzen stoßen und sich nur noch als Getriebene fühlen. Eine Aufgabe jagt die andere, die Erwartungen von Kunden, Lieferanten, Chefs, Kollegen und Mitarbeitern müssen immer schneller erfüllt werden, und nicht selten laufen viele Projekte parallel ab. In der Ruhe liegt die Kraft – wir sollten uns wieder häufiger an dieses Sprichwort erinnern. Oder: Es lohnt sich manchmal, noch etwas abzuwarten, bis ein günstigerer Zeitpunkt für den Projektstart gekommen ist. Menschen sollten nicht ihre Zeit, sondern ihre Energie managen und dabei stets ihre Prioritäten im Auge behalten.
Personalbereiche müssen sich modernisieren, sonst werden wesentliche Prozesse outgesourct oder durch die Geschäftsführung, die Führungskräfte oder den Druck der globalen Märkte von außen her angepasst. Die Herausforderungen sind groß, und es gilt, keine Zeit zu verlieren. Dennoch sollte jede Entwicklung hin zu einem modernen Personalmanagement immer auch mit Wertschätzung für die Erfolge der Vergangenheit, die gelebte Kultur der Organisation und die Bedürfnisse der Menschen erfolgen.