Anforderungen an ein modernes Personalmanagement

Das Personalmanagement sollte sich – so paradox es klingt – in zwei gegenläufige Richtungen verbessern: Zum einen sollte es sich konsequenter als bisher auf die Strategie des Unternehmens beziehen. Was ist unsere Vision, unsere Mission, was sind unsere Ziele? Wie ticken unsere Kunden? Wie helfen wir mit, deren Probleme zu lösen? Wie werden sich die Kundenbedürfnisse in Zukunft verändern? Wie verhalten sich unsere Wettbewerber und was können wir besser als sie? Wie schnell verändern sich unsere Märkte? Was funktioniert unser Geschäftsmodell? Mit strategischen Zielen und Maßnahmen wird der langfristige Unternehmenserfolg gesichert. Wer sich mit Strategien befasst, kombiniert externe Chancen mit internen Ressourcen, d. h. den Kernkompetenzen, Fähigkeiten und Stärken, über die wir verfügen. Dabei ist die richtige Positionierung im Markt von hoher Bedeutung.

Zum anderen muss das Personalmanagement maßgeblich für das operative Geschäft sein. Das heißt, es sollte bei den Bedürfnissen und Interessen der Abteilungen Entwicklung, Einkauf, Produktion, Vertrieb oder Finanzen ansetzen und dort Mehrwert stiften. Führungskräfte und Mitarbeiter in der Personalabteilung sollten sich fragen: Was kann ich tun, um die Abteilung in der Erreichung ihrer Ziele zu unterstützen – und dort für konkrete Verbesserungen zu sorgen? Das genau ist der große Spagat, den Personalmanagement heutzutage leisten muss – und oft (noch) nicht bewältigt. Häufig fehlt in den Personalabteilungen sowohl der Blick fürs Strategische als auch fürs Operative. Das Selbstverständnis von Personalabteilungen ist häufig immer noch zu administrativ und zu reaktiv ausgerichtet, und die Professionalisierung schreitet langsamer voran als viele glauben. Der Gestalter kommt oft erst dann zum Zuge, wenn der Verwalter seine Arbeit getan hat – und dann noch Zeit bleibt. Das sollte sich ändern.


anforderung

Quelle: Rosenberger & Partner

Systemische Personalarbeit

Neben mehr Strategieorientierung und Geschäftsnähe sollte ein modernes Personalmanagement sich stärker denn je vom systemischen Denken leiten lassen. Systemisches Denken ist die Antwort auf die steigende Komplexität in der Wissensgesellschaft. Veränderungen können im komplexen Gefüge einer Organisation nicht vorgeschrieben, sondern nur durch Impulse und Interventionen nur angeregt werden. Statt linearer Abläufe und fest planbarer Kausalketten geht es im systemischen Weltbild um iterative und rekursive Prozesse. Das Leben und Arbeiten mit Ungewissheiten, Überraschungen, Widersprüchen, parallelen „Wahrheiten“ und Emotionen ist typisch für die systemische Herangehensweise. Die Führungspersonen sind in diesem System zugleich Beobachter, Betroffene und Mitgestalter. Auch der Personalmanager ist – wie die Führungskräfte – Teil des Systems. Aus einer systemischen Haltung heraus sollte er insbesondere die Fähigkeiten zur ganzheitlichen Wahrnehmung, zur Beziehungsgestaltung und zur Selbstreflexion mitbringen und in der Lage sein, nachhaltige Lern- und Erneuerungsprozesse zu initiieren und zu begleiten. Das setzt auch voraus, nicht nur eine bestimmte Rolle (z. B. die des Dienstleisters oder Business Partners) einzunehmen, sondern aus mehreren Perspektiven zu handeln. Somit sind die Rollen je nach Situation zu integrieren. In der Konsequenz bedeutet das systemische Denken aber auch, mehr in Prozessen und weniger in Funktionen zu denken.

Es ist diese Neujustierung des Verhältnisses zwischen Geschäftsführung, Führungskräften und Personalbereich und der Rollen im System, auf die es ankommt. Ein modernes Steuerungs- und Serviceverständnis geht davon aus, dass es einerseits „hoheitliche“ Steuerungsaufgaben (im Auftrag der Geschäftsführung) und andererseits „nutzerorientierte“ Dienstleistungsaufgaben (im Auftrag der Führungskräfte und Mitarbeiter) gibt. In diesem Spannungsfeld bewegt sich die Personalabteilung. Es gilt also, einerseits Standards der Personalpolitik, wie etwa einen einheitlichen Auftritt auf dem Bewerbermarkt oder zentrale Grundlagen für Mitbestimmung und Technologieeinsatz, zu etablieren, andererseits aber flexibel, pragmatisch und geschäftsnah als Dienstleister zu agieren. Dazwischen steht das Rollenbild des „Beraters“. Wenn der Personalleiter steuert oder dient, wird er immer auch ein Stück weit beraten, z. B. durch kluge Fragen, Konzepte oder Interventionen. Der steuernde Personalleiter wird eher Expertenberater sein, d. h. Empfehlungen geben. Der dienende Personalleiter wird vor allem Prozessberater sein, d. h. Andere ermächtigen und unterstützen. Alle Rollen sind dabei aufeinander bezogen und voneinander abhängig – im systemischen Sinne.

Personalmanagement als Teamwork

Für ein modernes Personalmanagement ist außerdem eine Personalstrategie wichtig. Sie sorgt für die nötigen Leitplanken und schafft einen Zielrahmen. Dabei gibt es mehrere Möglichkeiten, eine solche Personalstrategie abzuleiten: Die Personalstrategie folgt der Unternehmensstrategie, die Unternehmensstrategie folgt der Personalstrategie oder die Personalstrategie ist integrativer Teil der Strategieentwicklung für das Gesamtunternehmen und alle Teilfunktionen. Hinzu kommt, dass man eine Personalstrategie auch „originär“ entwickeln kann, d. h. ohne auf die Unternehmensstrategie zu schauen. In der Praxis ist es oft eine Mischung. Generell empfehlen wir, die Personalstrategie immer mit den Führungskräften selbst zu entwickeln – damit sie nicht eine reine Strategie des Personalbereichs bleibt, sondern für das Gesamtunternehmen handlungsleitend wird.

In diesem Sinne ist ein modernes Personalmanagement eine Gemeinschaftsaufgabe von Geschäftsführung, Führungskräften und Personalabteilung. Das Thema ist zu wichtig, um es allein der Personalabteilung zu überlassen. Die Arbeitsteilung sollte wie folgt aussehen: Während die Geschäftsführung für die Ziele, Rahmenbedingungen und Standards sorgt und sichtbar als Vorbild und Rollenmodell agiert, sollten die Führungskräfte die Personalprozesse im Kontakt mit den Mitarbeitern umsetzen. Die Personalabteilung ist in diesem Kontext als Vordenker, Mitgestalter Projektmanager, Coach und (vor allem) Methoden-Profi tätig. Außerdem bündelt sie die Informationen und kümmert sich um die Erstellung und Pflege der Dokumentationen.

Dies passt zu der Anforderung an das Personalmanagement, dass sich Führungskräfte als Personalentwickler verstehen sollten. Mehr denn je wird es darauf ankommen, dass Personalabteilungen im engen Schulterschluss mit den Führungskräften eine an den Unternehmenszielen orientierte Personalentwicklung betreiben. Allein die höhere Lerngeschwindigkeit in der globalisierten und digitalisierten Wissensgesellschaft legt nahe, dass hier alle Beteiligten – auch der Lernende – an einem Strang ziehen müssen. Die Personalentwicklung muss sich vom Gießkannenprinzip à la „Jeder Mitarbeiter darf sich ein nettes Seminar aussuchen“ verabschieden, für mehr Kosten-Nutzen-Transparenz sorgen und einen messbaren Beitrag zum Unternehmensergebnis leisten. Nach Schätzungen findet Lernen ohnehin zu ca. achtzig Prozent „on the job“, d. h. am Arbeitsplatz, statt – und dies oft selbstgesteuert und unbewusst. Und dort ist die Führungskraft als Lehrer, Coach und Entwickler gefragt.

Das heißt auch: Bildungsziele und Bildungscontrolling werden wichtiger, und dazu brauchen wir Führungskräfte, die sich abteilungsintern und abteilungsübergreifend als Personalmanager engagieren. Dies muss sich im Zeitbudget, in den Projekten und den Zielvereinbarungen mit Führungskräften niederschlagen. Führungskräfte sind so die ersten Personalmanager des Unternehmens. Wenn wir dies mit dem Business Partner-Konzept für Personalabteilungen verbinden, so lässt sich feststellen, dass beide Seiten – die Fach- und Führungskräfte in der HR-Abteilung und die operativ tätigen Führungskräfte – ihr Rollenverständnis, ihr Aufgabenportfolio und ihre Prioritätensetzung überdenken müssen. Der Faktor Mensch wird bedeutsamer, und das hat konkrete Konsequenzen für die Alltagsarbeit.

Immaterielle Ressourcen erschließen

Der Personalbereich und alle Personalverantwortlichen sollten zur Wertschöpfung der eigenen Firma beitragen. Das heißt, sie schaffen Mehrwert durch Transformation und eine (messbare) Eigenleistung. Wie wird dies erreicht und überprüft? Zunächst sollten wir den Mut aufbringen, uns mit dem Thema zu befassen, und nicht sofort abwiegeln, dass die Personalarbeit nicht in Zahlen auszudrücken sei.

Die Redewendung „Was du nicht messen kannst, kannst du nicht managen“ hat sich inzwischen auch im Personalbereich durchgesetzt. Neben der retrospektiven Kontrolle geht es im Personalcontrolling vor allem um Planung, Steuerung, Information, Koordination und Entscheidungshilfen. Kennzahlen stellen hierbei für Geschäftsführer, Führungskräfte oder Personalmanager das Fundament des Personalcontrollings dar. Entscheidend ist, dass die richtigen Kennzahlen im richtigen Kontext verwendet werden und nicht zum Selbstzweck degenerieren. Generell muss die Wertschöpfung an die Ziele des Unternehmens und des Personalmanagements gekoppelt werden. Erst dann sehen wir Soll-Ist-Abweichungen und erkennen, was die richtigen Kennzahlen sind, bzw. vermeiden, bloße „Daten-Friedhöfe“ zu generieren.

Tue Gutes und rede darüber: Viele Manager, gerade deutscher Herkunft, gehen immer noch davon aus, dass es ausreicht, eine gute Arbeit abzuliefern und gelegentlich dem eigenen Chef Bericht zu erstatten. Information, Kommunikation und Feedback werden auf das absolut Notwendige reduziert. Dabei gehört die offensive und zugleich authentische Vermarktung von Personen und Themen zur modernen Unternehmensführung zum Geschäft dazu. Nach innen gerichtet geht es darum, Führungskräfte, Kollegen und Mitarbeiter von der Richtigkeit des eigenen Tuns zu überzeugen. Nach außen sollten alle Anspruchsgruppen des Unternehmens – vom Eigentümer über den Bewerber zum Dienstleister – über alle Medien im Dialog angesprochen werden. Dies sollte einfach, beharrlich und redundant erfolgen, damit sich Botschaften wirklich festigen.

Idealerweise wird so die Marke des Unternehmens über Personalmanagement-Aspekte gestärkt, und der Personalbereich selbst kann zur Marke (z. B. für Exzellenz, Service und Qualität) werden.

Der Aufbau und die Pflege menschlicher Beziehungen sind das A und O in erfolgreichen Unternehmen. Dies gilt nicht nur in Bezug auf Kunden, sondern auch auf Lieferanten, Dienstleister, Interimsmanager, Freelancer, Bewerber, Banken, Behörden, Verbände und – nicht zuletzt – die Medien. Ein noch weitgehend unterschätztes Thema in Organisationen ist daher die systematische Pflege interner und externer Netzwerke. Fragen wie „Was kann ich für Sie tun, um Ihnen Ihren Job oder Ihr Leben leichter zu machen?“ oder „Wie kann ich Ihnen helfen?“ tragen dazu bei, das eigene Netzwerk von Unterstützern zu stärken und zu erweitern. Denn: Menschen, denen Sie helfen, werden automatisch auch Ihnen helfen wollen. Ein Unternehmen, gerade der Personalbereich, sollte Möglichkeiten schaffen, um gegenseitige Unterstützung anzuerkennen und zu belohnen. Dies ist übrigens in erster Linie ein Thema für den persönlichen Kontakt. Soziale Medien wie Xing, Twitter und Facebook sollten dabei nur unterstützend eingesetzt werden.

Die richtigen Dinge tun und lassen Wie bei jedem anderen strategischen Thema kommt es nicht darauf an, alles zu machen, sondern die richtigen Schwerpunkte zu setzen: Was sind unsere Schlüsselaufgaben im Personalmanagement? Was sind die größten Brennpunkte und Baustellen? Was schafft den höchsten Mehrwert mit dem geringsten Aufwand? Welche Tätigkeiten und Projekte sollte die Personalabteilung künftig nicht mehr machen? Welche Leistungen können auch ausgelagert werden – an Dienstleister, Berater, Trainer, Coaches, andere Abteilungen, eigene Führungskräfte?

Ein modernes Personalmanagement konzentriert sich auf die wesentlichen Treiber des Erfolgs und verabschiedet sich von vielen Aufgaben. Zur Erinnerung: Sich vom Verwalter zum Gestalter zu entwickeln, bedeutet, nicht nur (passiver) Dienstleister zu sein, sondern auch und zunehmend (aktiver) Berater und Coach für die Geschäftsleitung und die Führungskräfte. Dies setzt voraus, dass die Personalabteilung im Einvernehmen mit der Unternehmensspitze „loslassen“ sollte und dafür gezielte und mutige Entscheidungen treffen muss.

rup logo web

Copyright © 2013 Rosenberger & Partner