Mitarbeiterbindung: Teil des Ganzen sein

Firmen deklarieren in Hochglanzbroschüren, Internetauftritten, Neujahrsansprachen und Führungsgrundsätzen: „Unsere Mitarbeiter sind unser wichtigstes Kapital.“ Deren Zusammenspiel wird oft als „unsere einzigartige Unternehmenskultur“ bezeichnet. Das klingt nach hohem Anspruch und geheimer Kraftquelle – und ist zugleich unverbindlich genug, um vielfältige Interpretationen zuzulassen. Also doch bloß ein Zauberwort aus der Trickkiste von Managementgurus?

Die Unternehmenskultur ist ein weicher Faktor mit harten Auswirkungen auf Motivation,Engagement und Leistung von Führungskräften und Mitarbeitern. Sie bildet den notwendigen Rahmen für Kundenzufriedenheit und Markterfolg. Doch was versteht man unter „Unternehmenskultur“ genau? Und welche Rolle spielt dabei die Führung? Dass mit den genannten Slogans nur ein Wunsch und selten die Firmenwirklichkeit beschrieben wird, ahnen hellhörige Geschäftsführer, Führungskräfte und Berater längst, und Studien belegen es: Nur 15 Prozent aller deutschen Beschäftigten sind einer aktuellen Gallup-Umfrage zufolge mit emotionalem Engagement und Eigeninitiative bei der Arbeit. 61 Prozent der Arbeitnehmer verrichten dagegen nur „Dienst nach Vorschrift“, und jeder Vierte hat bereits innerlich gekündigt. Dies verursacht für die deutsche Wirtschaft einen jährlichen Schaden von bis zu 18 Milliarden Euro allein aufgrund von Fehlzeiten; insgesamt wird der Schaden, der durch die fehlende Motivation der Beschäftigten verursacht wird, auf bis zu 138 Milliarden Euro pro Jahr geschätzt. Als zentralen Grund für den Frust vieler Beschäftigter führt die Studie den mangelnden Dialog zwischen Mitarbeiter und Chef an. Viel zu viele Mitarbeiter und Führungskräfte beschäftigen sich heute vor allem mit sich selbst, ihrer Machtposition in der Firma sowie dem unternehmenspolitischen Hickhack und weniger mit den Unternehmenszielen, den Kunden oder dem Markt.
Bringen wir es auf den Punkt: Die „einzigartige Unternehmenskultur“ vieler Unternehmen demotiviert in Wirklichkeit die Mitarbeiter und macht viele von ihnen sogar krank (Stichwort: Burn-out). Die zunehmende Komplexität der globalen Wirtschaft, der digitalen Welt und der europäischen Struktur- und Reformprobleme verunsichert Mitarbeiter und Führungskräfte zunehmend und stärkt den Wunsch nach klarer Führung, einfachen Botschaften sowie verbindlichen Werten und Zielen.

Unternehmenskultur: Verschiedene Betrachtungsebenen

Um das Thema Unternehmenskultur ganzheitlich zu begreifen und eine zukunftsorientierte Unternehmensentwicklung zu ermöglichen, ist es wichtig, folgende Betrachtungsebenen im Hinblick auf Organisationen zu unterscheiden: Um die Sachebene
geht es, wenn Geschäftsinhalte, Märkte, Kunden, Wettbewerber, Organigramme, Prozesse oder Strategien analysiert werden. Die Methodenebene betrifft interne Tools, Instrumente oder Qualitätsstandards. Die Geschäftsordnungsebene bezieht sich auf Spielregeln zwischen Mitarbeitern, Führungskräften, Zulieferern und Kunden. Wenn die Personenebene Gegenstand eines Projekts ist, dann geht es um Kompetenzen, Interessen, Verhalten oder Einstellungen von Beschäftigten. Die Beziehungsebene ist angesprochen, wenn die interne Kommunikation, die Zusammenarbeit in Teams, Machtstrukturen oder Gefühle
verändert werden sollen. Die Werteebene betrachtet die längerfristigen Grundhaltungen einer Firma oder von Individuen. Und – nicht zuletzt – betrifft die Kulturebene das ganze System mit seinen Werten, Normen, Regeln, Symbolen, Taktiken und Tabus sowie geschriebenen und ungeschriebenen Gesetzen. Zur Unternehmenskultur gehören auch die Themen Führungs-, Dialog-, Leistungs-, Trennungs- und Teamkultur.

Was macht eine erfolgreiche Unternehmenskultur aus?

1. Dreh- und Angelpunkt jeder guten Unternehmenskultur ist die Führungskultur: klar und ergebnisorientiert sowie gekennzeichnet durch Zuhören, Wertschätzen, Vertrauen, Loslassen und Vorbild im Tun. Eine gute Führungskraft kann sowohl auf der Sach- als auch auf der Beziehungsebene sicher agieren und ist auch Lehrer, Veränderungspionier und Talententwickler.

2. Talentmanagement ist entscheidender Erfolgsfaktor und sichert die Unternehmenszukunft. Siebzig Prozent haben derzeit generell oder teilweise Schwierigkeiten, vakante Stellen mit passenden Bewerbern zu besetzen. Mit einem an der Unternehmensstrategie ausgerichteten Talentmanagementsystem lässt sich die Lücke zwischen den Erwartungen der Talente und den Unternehmensanforderungen schließen.

3. Die Zusammenarbeit von Mitarbeitern ist durch eine sichtbare Begeisterung für eine Idee, etwa die Unternehmensvision, und durch ein überragendes Sozialverhalten geprägt. Teams mit Mitgliedern in komplementären Rollen, etwa als Macher, Koordinator oder Beobachter, sind der eigentliche Klebstoff, der Firmen zusammenhält.

4. Konflikte werden nicht verniedlicht oder verschwiegen, sondern als Katalysator für Veränderungen genutzt. Gerade wenn Konflikte offen ausgetragen werden, bringt dies erfolgreiche Teams voran. So werden Energien freigesetzt, die Beziehungen klären und Lösungen in der Sache anbahnen.

5. In guten Unternehmenskulturen findet ein häufiger Abgleich von Selbst- und Fremdbildern bei Führungskräften und Mitarbeitern statt. Menschen nehmen grundsätzlich an, dass ihre Botschaften vom Empfänger auch so verstanden werden, wie sie der Sender gemeint hat. Doch dem ist meistens nicht so. Daher ist es unsere Pflicht als Führungskraft oder Mitarbeiter, uns immer wieder rückzuversichern, ob wir unser Gegenüber auch richtig verstanden haben und er/sie uns richtig verstanden hat.

6. In erfolgreichen Unternehmen herrscht eine starke Leistungskultur vor: „High Performer“ werden in hohem Maße belohnt, von „Low Performern“ trennt man sich konsequent. Dies ist in Deutschland weder einfach noch „politisch korrekt“, aber eine klare Loslösung kann auch für die Betroffenen ein guter Neuanfang sein.

7. In Firmen mit einem guten Miteinander existieren allgemeinverständliche Unternehmensziele, auf die alle Führungskräfte und Mitarbeiter ausgerichtet sind und deren Erreichung regelmäßig überprüft wird.

8. Neben kommerziellen Zielen haben gemeinnützige Werte eine hohe Bedeutung für die Unternehmensidentität. Mitarbeiter wollen nicht nur zu Trägern ökonomischer Ziele abgestempelt werden. Sie wollen auch einen Hauch von „Wir verbessern gemeinsam die Welt“ verspüren.

„Die Treppe wird von oben gekehrt“

Oft werden in der Mitarbeiterführung, im Teamalltag und in der Informationspolitik einfachste Dinge missachtet. Dass damit (Human-)Kapital vernichtet wird, wird oft nicht erkannt. Vom langfristigen Imageschaden ganz zu schweigen. Die positive Nachricht: Die Kriterien einer guten Unternehmenskultur lassen sich definieren, überprüfen und sogar messen. Die genannten acht Punkte lassen sich individuell erweitern und firmenspezifisch anpassen. Der Erfolg der Arbeit an einer passenden Unternehmenskultur, die auf allen Ebenen verinnerlicht und gelebt wird, ist maßgeblich von einer Sache abhängig: dass die Unternehmensführung dies wirklich und konsequent will. Denn wie heißt es so schön: Die Treppe wird von oben gekehrt.

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